Dieses Foto der Tänzerin Martha Graham ist in der Londoner The Times 1996 erschienen.Es hat mich ungeheuer fasziniert – die gespannte Ruhe, sichtbar allein durch die Falten des Gewandes und die auf ihren Spitzen ruhenden Füße.
Damals schon wußte ich, dass ich diese Gestalt eines Tages in eine Skulptur umsetzen würde.
Es hat etwas länger gedauert.
Diese Muschelkalkplatte schien mir für ein Relief mit Martha geeignet.
Eine Überprüfung musste aber sein.
Die beiden Fotos habe ich ein einem Fotobearbeitungs-programm überlagert (Transparenz-Funktion). Dabei habe ich die Vorlage soweit proportional vergrößert, bis die Gestalt – mit etwas Reserve an den Rändern – im Stein gepasst hat.
Da dies mein erstes Relief werden sollte, bekam ich die dringende Empfehlung, erst ein Gipsmodell zu erstellen.
Auch wenn mir der Aufwand etwas hoch erschien, beschloss ich, so zu verfahren, weil ich dabei bestimmt noch etwas lernen würde.
Als erstes habe ich einen Rahmen aus Latten um den Stein herum gelegt und an den Ecken gerade so verschraubt, dass er nicht auseinanderfiel.
Ein aufgeschnittener Plastiksack dient als Bett für den Gipsguss, anderenfalls würde die Füllung ausfließen.
Ich brauchte viel mehr Gips als gedacht – 10 Kg, nach und nach verrührt und hineingegossen, zum Schluss nur etwas nachgeglättet, da die flüssige Masse von alleine eben wird.
Noch einmal prüfen, ob alles stimmt – Stein und Gipsplatte.
Nun liegt die Gipsplatte wie ein weißes Blatt Papier da. Die Vorlage aus dem Zeitungsausschnitt war natürlich zu klein, also…
…musste ich sie vergrößern. Am PC ging das nicht mehr, dafür hätte ich einen DIN A3-Drucker gebraucht. Also griff ich zu einer altbewährten Methode der Skalierung mit Hilfe einer Diagonale und eines Rasters auf Millimeterpapier.
Die Diagonale wird bis zur gewünschten Höhe gezogen, danach wird das entsprechende Rechteck gezeichnet. Umgekehrt lässt sich dies auch zur Verkleinerung einsetzen.
Es ist etwas mühsam, aber narrenschier: Ein Raster auf beide Bilder. Millimeterpapier erleichtert die Aufgabe ungemein.
Dann einfach Kästchen für Kästchen mit den Linien aus der Vorlage nachzeichnen. Es geht schneller, als man denkt.
Die Vergrößerung wird nun auf die Gipsplatte gelegt und mit Pins fixiert. Die Konturen werden durch das Papier in den noch weichen Gips geritzt. Man kann auch punktieren, also mit einem spitzen Nagel durchstechen und die Linien verbinden.
Die fertige Kontur, das Blatt ist noch befestigt, falls Korrekturen nötig sind.
Da die Gestalt sich von einem Hintergrund plastisch abheben soll, braucht sie einen Raum um sich, der tiefer gelegt werden muss.
Zur Orientierung habe ich verschiedene Farben genommen, dafür zwei Filzstifte geopfert.
Der Bereich außerhalb der roten Linie soll unbearbeitet bleiben.
Gesagt, getan: die Grundgestalt ist frei gelegt. Dafür habe ich nichts anderes als einen 2cm-Spachtel benutzt.
Richtig nervig war der noch zu feuchte Abrieb, der die Bürste total verklumpt hat.
Auf diesem Stand habe ich mit der Arbeit in Gips aufgehört. Ich hatte zu sklavisch versucht, der Vorlage zu folgen.
Der Zweck war für mich nicht, mich am Gips völlig zu verausgaben und eine perfekte Kopie anzufertigen, sondern ein Gefühl für die Raumverhältnisse zu bekommen.
Möglicherweise werde ich diese Arbeit fortsetzen und für einen Metallguss verwenden.
Jetzt aber war für mich der Moment gekommen, am Stein zu arbeiten.
Zur Übertragung der Kontur habe ich dasselbe Blatt wie für den Gips verwendet.
Als erstes musste die raue und sehr zerklüftete Fläche geglättet werden, um überhaupt gestaltbare Breiche zu schaffen.
Mir scheint es wichtig, sich von einer Vorlage lösen zu können und einen eigenen Akzent zu setzen.
Daher die Linie des Gewandes, wie zwischen den Knien gespannt: nicht mehr gerade, sondern einen Winkel bildend.
Ähnlich beim Kopf: das seitlich nach unten geneigte Gesicht der Vorlage musste für mich nicht unbedingt naturalistisch-figürlich werden, sondern die Geste aufgreifen.
Die kleine Skizze war alles, was ich brauchte, um weiter zu machen.
Ursächlich für die Spannung, die das Zeitungsfoto vermittelt, ist der Faltenwurf, der vom Schultern- und Brustbereich ausgeht und unterhalb der Knielinie endet, dort, wo Martha ihr Gewand in den Händen zusammengerafft festhält.
Auf diesen Punkt müssen auch meine Falten zulaufen, damit das Ganze glaubwürdig erscheint.
Endstand der Gestaltung im Stein. Ab hier folgt Glätten, Anschleifen – an Polieren ist in diesem Material nicht zu denken.